Warum erst jetzt, warum gerade jetzt und warum überhaupt? Die bestechende Form, in der sich RWE beim 2:0 (1:0)-Sieg gegen TuS Koblenz erneut präsentierte, bringt den Aufsteiger am Ende beinahe in Rechtfertigungszwang. Krampften sich die Essener zum gleichen Zeitpunkt der Vorrunde noch durch eine epische Serie von neun sieglosen Spielen, geht derselben Mannschaft der gepflegter Ball derzeit so leicht vom Fuß, dass es dem Großteil der 6033 Zuschauer an der Hafenstraße eine Wonne war. Doch damit nicht genug. Beseelt von der erfolgreichsten Serie dieser Saison tritt RWE plötzlich beinahe im Stile einer Spitzenmannschaft auf.
Vor heimischer Kulisse als Favorit gefordert zu sein war eine gleichsam ungewohnte wie unbequeme Rolle. Dabei tat Waldemar Wrobel sein Möglichstes, um eindringlich auf die Qualitäten der Koblenzer hinzuweisen. Selbst nach dem letztlich unaufgeregt herausgearbeiteten 2:0-Sieg begann der Trainer seine Ausführungen mit einem Hinweis auf den Gegner: "Die hatten vor dem Spiel deutlich weniger Gegentore und haben seltener verloren als wir." Wohl wissend, dass vor diesem Hintergrund der vierte Sieg im fünften Spiel noch greller strahlt. Dabei hätte der überzeugende Vortrag seiner Mannschaft bereits gereicht. Es scheint ganz so, dass die Umstellungen, die Wrobel erst vor wenigen Wochen getätigt hat, nicht nur greifen, sondern sich bereits verfestigt haben.
Koblenz demonstrierte dennoch, dass ihnen die jüngsten Erfolge wie die torlosen Erfolge gegen Lotte oder Trier Selbstvertrauen angedeihen hatte und spielte forsch auf. Gleichzeitig litt die Essener Offensive unter allzu zahlreichen Abspielfehlern und Ungenauigkeiten. Doch statt zu zweifeln, verrichteten die Hausherren ihre Sisyphosarbeit mit Langmut und Zuversicht, hielten das Spielgerät lange in den eigenen Reihen und gewannen durch viel Ballbesitz mehr und mehr Sicherheit. Schließlich reichte ein Eckball, den Stefan Haben per Kopf ins eigene Netz beförderte (27.) und eine klare Halbzeit-Analyse, um die entscheidenden Hebel endgültig umzulegen.
Das personelle Übergewicht im Zentrum solle sich die Mannschaft mit einer Extra-Portion Aggressivität zu Nutze machen, hatte Wrobel seiner Mannschaft mit in die zweite Halbzeit gegeben. Zu sehen bekam der 42-Jährige phasenweise begeisternden Fußball, dem jedoch die letzte Konsequenz fehlte. Dass Güngör Kaya freistehend vor TuS-Keeper Kadir Yalcin (51.) zum 2:0 vollstreckte war verdient, letztlich aber zu wenig. Einige Kombinationen hätten allein für ihren ästhetischen Gehalt einen Tor als Gegenwert verdient. Doch selbst mit roher Gewalt hätte Wrobel sich begnügt. "Wir hätten öfter mal Distanzschüsse wählen sollen. Wir haben Leute, die das können", bemerkte der. Doch auch ohne weitere Treffer und mit letzten Minuten im Schongang konnte RWE einen souveränen Erfolg einfahren. "Letztendlich haben wir das gut zu Ende gespielt, auch wenn wir vielleicht das ein oder andere Tor mehr hätten machen können. Ich bin aber froh, dass wir diese Mannschaft geschlagen haben und dass wir zu Null gespielt haben."
Vor allem aber dürfte Wrobel gefallen, dass seine Juns nicht nur so cool und selbstbewusst auftreten wie ein Topteam, sondern zumindest für den Moment bereits eine Spitzenmannschaft sind. Nur vier Teams haben in der Rückrunde besser abgeschnitten. Sollten die Rot-Weissen die Flatterhaftigkeit des ersten Halbjahres endgültig überwunden haben, können sie möglicherweise den Beweis antreten, dass auch eine Saison jenseits von Gut und Böse noch verdammt viel Spaß machen kann.